Magdeburger Weihnachtsmarktumleitung
Alle Jahre wieder die gleiche doofe Tour, die einen haben einen Weihnachtsmarkt und wir keinen Radweg mehr. So denken sich das wohl viele Radfahrende aktuell wieder, wenn sie vor dem Durchfahrt-Verboten-Schild am Breiten Weg stehen. Und nein, auch wenn es sich bei der roten Pflasterung im Norden des Breiten Weges nicht um einen Radweg handelt, ist die Strecke wohl unumstritten eine der Wichtigsten für Radfahrende in Magdeburg. Doch ähnlich traditionell wie der Weihnachtsmarkt ist inzwischen auch die Sperrung dieser Strecke. Von Ende November bis Anfang Januar können sich Radfahrende darauf einstellen, dass der Weihnachtsmarkt weite Teile des Nordens des Breiten Wegs in Anspruch nimmt und damit das Radfahren dort fast unmöglich macht.
Grünes Licht gibt es zwar für Radfahrende, weiterfahren dürfen Sie aber trotzdem nicht.
In diesem Jahr wurde die Strecke des Breiten Wegs vom Blauen Bock bis zur Großen Steinernetischstraße ganz gesperrt. Radfahrende werden dementsprechend um den Breiten Weg herum geleitet. Der ADFC, der in den letzten Wochen von vielen Radfahrenden auf das Thema angesprochen wurde, kritisiert vor allem die Ausführung der Umleitung: „Die Umleitung ist sie eigentlich nicht regelkonform benutzbar, weil die Ausschilderung einfach widersprüchlich ist. Teilweise führt sie auch in Gefahrensituationen, die Radfahrende in dem Moment oft gar nicht erkennen. Wenn man schon die Hauptroute für Radfahrende durch die Stadt Magdeburg verlegt, also umleitet, sollte man eine Lösung finden, die jeder versteht. Auch Kinder auf dem Weg zur Schule müssen in der Lage sein diesen Weg zu fahren und in unseren Augen ist es aktuell nicht der Fall. Für Autofahrende würde man eine solche Umleitung nie ausschildern.“, so der Vorstandsvorsitzende des ADFC Magdeburg Norman Dreimann.
„Für Autofahrende würde man eine solche Umleitung nie ausschildern.“
Norman Dreimann, Vorstandsvorsitzender des ADFC Magdeburg
Doch der ADFC ist mit seiner Kritik nicht alleine auch Madeleine Linke vom Studierendenrat der Otto-von-Guericke-Universität ist von der Sperrung des Breiten Wegs für Radfahrende wenig begeistert. „Also generell ist es schade, dass man überhaupt den Fahrradfahrendenverkehr umleiten muss. Es ist uns nicht ganz klar warum der Weihnachtsmarkt diese Priorität hat, dass dafür die Hauptfahrradstraße, auch wenn es kein Fahrradweg ist, gesperrt wird.“
Besonders für die Studierenden der Otto-von-Guericke-Universität spiele der Breite Weg eine wichtige Rolle, erklärt Madeleine Linke. „Trotzdem der Breite Weg vor allem eine Fußgängerzone ist, die nur für den Fahrradverkehr freigegeben ist, wird diese in der Realität stark frequentiert, vor allem von Studierenden. Die anderen beiden Straßen, die Jakobstraße und die Otto von Guericke Straße, sind eben einfach nicht gut für den Radverkehr geeignet. Deswegen hat der Breite Weg eine enorme Bedeutung für Magdeburg. Diese Strecke ist eine Hauptverkehrsstraße vor allem für Studierende, die vor allem in den Stadtteilen rund um den Hasselbachplatz wohnen.“
Im Fokus ihrer Kritik steht ähnlich wie beim ADFC die verwirrende Umleitungsführung „Weil sie ein bisschen zu spät ansetzt. Wenn man schon in den Breiten Weg reingefahren ist, muss man sich ganz umständlich irgendwie auf die Umgehungsstraßen kämpfen. Es ist nicht ganz klar warum das nicht schon am Universitätsplatz ausgeschildert ist, dass man direkt über die Otto-von-Guericke-Straße fahren soll.“
Ernst-Reuter-Allee (Süd) in Richtung Breiter Weg
Ernst-Reuter-Allee (Süd) in City Carré
Uni-Platz Einfahrt zum Breiten Weg – Umleitung fehlt
Nachdem es in diesem Jahr so viel Kritik an der Ausführung der Umleitung gibt, haben wir bei Weihnachtsmarkt GmbH nachgefragt. Denn die Organisatoren des Weihnachtsmarktes hatten sich in diesem Jahr dafür eingesetzt, dass Radfahrende außen um den Breiten Weg herum geleitet werden, nachdem man im Vorjahr keine Umleitung eingerichtet hatte. Der Geschäftsführer der Weihnachtsmarkt GmbH Paul Stieger erklärt auch, warum das nötig war: „Wir hatten halt letztes Jahr das Problem, dass wir den Weihnachtsmarkt hier in einer Fußgängerzone aufbauen, wo Radfahrer im Zweifelsfall absteigen müssen, aber diese natürlich trotzdem massiv mit hoher Geschwindigkeit durchgefahren sind und es zu Konfliktsituationen kam. Deshalb war immer die Forderung einer Umleitung einzurichten, die natürlich durch die Baustelle Blauer Block auch noch etwas schwieriger geworden ist. Wir denken, wir haben das so gut wie möglich gemacht, aber es ist halt eine Umleitung und damit eine gewisse Behinderung.“
Die Möglichkeit den Weihnachtsmarkt aus dem Breiten Weg raus in die umliegende Julius-Bremer-Straße zu verlagern, wäre aus Sicht der Organisatoren auch mit ungewünschten negativen Folgen verbunden. „Die Julius-Bremer-Straße müssten wir dann natürlich für den Autoverkehr sperren. Das Problem ist aber, dass wir dort auch zwei große Parkhäuser haben und einen Fahrradweg.“
„Es ist einfach ein historisch gewachsener Standort auf dem Alten Markt“
Pauk Stieger, Geschäftsführer der Weihnachtsmarkt GmbH
Norman Dreimann vom ADFC würde sich sogar eine radikalere Verlegung des Weihnachtsmarktes an einen ganz anderen Standort wünschen. „Wieso denken wir nicht darüber nach, den Weihnachtsmarkt auf den Domplatz zu verlegen, was zum Thema Schutz und Verkehrsbeeinträchtigung für alle Verkehrsmittel deutlich geringere Auswirkungen hätte. Wir hätten damit einen Platz, der dem Anspruch und dem Zuspruch, gerade wenn man sich den Mittelalter-Weihnachtsmarkt ansieht, doch deutlich mehr noch entsprechen würde. Gerade mit dem Dom im Hintergrund wäre das doch eine sehr schöne Variante. Es gibt ja auch die ein oder andere Strömung in der Stadt, die sich das sehr wünschen würde.“
Paul Stieger von der Weihnachtsmarkt GmbH hat Bedenken einen solchen Standortswechsel durchzuführen. „Es ist einfach ein historisch gewachsener Standort auf dem Alten Markt. Diese Diskussion um den Domplatz kommt ja jedes Jahr wieder. Der Domplatz ist einfach dreimal so groß wie der Alte Markt. Es würde sicher auf dem Domplatz auch für die Glühweinwirte funktionieren. Die Leute, die abends ihren Glühwein trinken wollen die kommen zum Domplatz oder kommen zum Alten Markt. Das Problem ist die Frau aus dem Erzgebirge die ihre Krippenfiguren verkauft. Die lebt halt davon, dass Sie hier in einem Bereich ist zwischen Karstadt und Allee Center und dem Nordabschnitt ist. Das ist halt für diese Händler wichtig und ich denke es, wenn man den Domplatz bespielen würde, würde es über kurz oder lang große Probleme für den Weihnachtsmarkt verursachen.“
Der Breiten Weg Nordabschnitt ist eine „Fußgängerzone – Fahrrad frei“ – Radfahrende müssen Rücksicht nehmen.
In diesem Jahr wird sich wohl keine bessere Lösung für Radfahrende finden lassen, die den Nordabschnitt des Breiten Weges als Kunden besuchen oder durchqueren wollen. Doch für die nächsten Jahre wird wohl weder die aktuelle Umleitung, noch das einfache Öffnen des Weihnachtsmarkts für Radfahrende eine Lösung sein, auch wenn sich viele Radfahrende wohl wünschen würden das ganze Jahr ungehindert durch den Breiten Weg fahren zu können. Das wäre für die Studierenden, nach Madeleine Linkes Meinung, nämlich das Beste. „Also am liebsten den Breiten Weg gar nicht sperren oder im Breitenweg auf der rechten Seite eine eindeutige Möglichkeit finden, wo man mit dem Fahrrad fahren kann.“ erklärt die Studierendenvertreterin. Der ADFC glaubt schon vor zwei Jahren nahe an einer guten Lösung für alle Beteiligten gewesen zu sein. „Man könnte die Lösung, die man vor zwei Jahren hatte, wieder einführen. Dafür müsste man die ein oder andere Bude umstellen, die vorne an der Ernst-Reuter-Allee am Eingang zum Breiten Weg Nord Abschnitt steht und dann könnte man die Radfahrenden auf die westliche Seite rüber vor Karstadt führen. Und dann durch den zweiten Breiten Weg, also die Straße, die hinter den Wohnblöcken läuft. Diese Strecke ist einfach besser, weil sie viel kürzer ist, weniger Konfliktstellen bietet und komfortabler zu befahren ist.“
Diese Lösung ist auf Grund der aktuellen Sicherheitsmaßnahmen des Weihnachtsmarkts nicht umsetzbar. Massive Betonblöcke versperren Radfahrenden die Zufahrt zum Breiten Weg. Sie soll den Weihnachtsmarkt vor Gefahren durch motorisierte Fahrzeuge, wie im vergangen Jahr am Berliner Breitscheidplatz schützen. Auch wenn ihr Nutzen umstritten ist, da sie Tests nicht standhalten konnten und es auf Grund von Liefer- und Straßenbahnzufahrten große Lücken gibt, werden sie wohl auch in den nächsten Jahren wieder eingesetzt werden. Daher hält der Organisator des Weihnachtsmarkts Paul Stieger eine Lösung, wie der ADFC sie vorschlägt, erst in ein paar Jahren für machbar. „Es wird weiter Betonsteine geben. Wir werden den Sicherheitsstandard weiterhin hoch halten. Wir wissen nicht was passiert. Es kann sein, dass wir sogar noch mal aufsatteln müssen. Grundsätzlich möchte ich eine saubere Umleitungslösung. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll und das wenn mal der Blaue Bock fertig ist, das wird aber sicher noch ein bis zwei Jahre dauern, dass der Radverkehr auf der anderen Seite des Breiten Weges vor Karstadt entlang gehen kann.“
Ernst-Reuter-Allee (Nord) in Richtung Breiter Weg
Einfahrt zum Weihnachtsmarkt ohne Betonblöcke
Ernst-Reuter-Allee (Nord) vor dem Weihnachtsmarkt
Bei aller Diskussion um den Weihnachtsmarkt verfehle man aber eigentlich eine andere Debatte. „Trotzdem gibt es hier am Breiten Weg immer wieder Feste und Veranstaltungen und das gehört ja auch zur Innenstadt dazu. Wir können ja alle sagen wir wollen eine fahrradfreundliche Stadt. Das wollen wir auch. Doch immer auf den Weihnachtsmarkt zu schimpfen ist einfach, zeigt aber einfach die Probleme auf, die mit der Straßenführung hier das ganze Jahr bestehen.“, so Paul Stieger. Auch Norman Dreimann vom ADFC sieht im Breiten Weg ein Problem, dass größer ist als nur der Weihnachtsmarkt. „Es ist einfach eine der Hauptverbindungen sowohl für die Uni, als auch für die anderen, die durch die Stadt fahren ist es auch die schnellste Route und der Weihnachtsmarkt spiegelt immer nur den Höhepunkt dieser Diskussion wieder.“
„Der Weihnachtsmarkt spiegelt immer nur den Höhepunkt der Diskussion wieder.“
Norman Dreimann, Vorstandsvorsitzender des ADFC Magdeburg
Langfristig müssen wir uns also fragen, wie der Breite Weg in Zukunft aussehen soll. Sowohl Nord- als auch Südabschnitt. Wie schaffen wir eine lebenswerte Innenstadt, in der sich sowohl Radfahrende, als auch Fußgehende und ÖPNV-Nutzende wohlfühlen und gerne einkaufen. Spätestens im Zuge der nächsten Umbaumaßnahmen für den Straßenbahnverkehr muss auch über diese Frage nachgedacht werden. Erste Meinungen und Ideen zum Konfliktpunkt im Nordabschnitt des Breiten Weges gibt es in unserem Beitrag aus dem letzten Monat zum Nachhören.